Im WUFF-Interview: Hubert Asam über mitdenkende Hunde, warum Hilfsmittel schlecht sind und die beste Leine diejenige ist, die man nicht sieht. (Interview mit Hubert Asam, erschienen im WUFF MAGAZIN 3/2022)

Als Hundetrainer möchte sich Hubert Asam nicht verstehen. Schon das Wort an sich zeugt für ihn von einem Denkfehler. Ungeachtet der angewandten Technik impliziert „Hundetraining“ für Hubert Asam, dass das Problem beim Hund läge: Der Trainer signalisiert dem Hund, dass dieser etwas für den Menschen tun muss. Macht er es, wird er belohnt. Macht er es nicht, wird er bestraft oder im schlimmsten Fall ignoriert. Hierbei ist die Motivation stets die Belohnung, welche der Hund am Ende erhält. Apportieren wird zu einem Befehl, der den Hund aus seiner freien Entscheidung heraus dazu zwingt, etwas zu tun, das ihm sinnlos erscheint.

 

Bei Hubert Asam hingegen ist alles ein Akt des freiwilligen Teilens, welches der Hund mit seinem Menschen zusammen machen will. Das „lebt“ man laut dem Ethopädagogen bestenfalls bereits im Welpenalter gemeinsam: ...

"Ich beginne am Anfang und ich bleibe ein Hundeleben lang dabei." Die Motivation hierfür komme rein aus dem Hund, denn Teilen ist ihm als soziales Wesen angeboren. Teilen ist dann auch oberstes Ziel und nicht das Bringen.

 

Sitzen, Warten… Das ist Hubert Asam besonders wichtig. „Ein Hund, der nicht mit seinem Menschen teilt, kann weder zuverlässig Fuss Laufen, noch kann er Positionen zuverlässig halten, denn auch dort ist es ein Akt des Teilens, der dem Hund angeboren ist.

„Ausschlaggebend hierfür ist die artgerechte und ununterbrochene Kommunikation zwischen Hund und Mensch. Stimmt diese nicht, gelingt auch das Teilen nicht. Artgerecht zu kommunizieren und zu erziehen, impliziert laut Asam aber auch, dass man seine Verantwortung immer in letzter Konsequenz trägt.

 

„Trainingserfolge“ im herkömmlichen Sinne sind Huber Asam egal. Seine Arbeit richtet sich auf die sozialen Gegebenheiten: „Die Vorstellungswelt des Hundes und die Welt seines Menschen müssen synchron sein.“ Dafür wird dem Hund ein Rahmen gesteckt, in dem er sich entfalten kann. Aus dem Gefühl der Verbundenheit zu seinem Menschen wird der Wunsch, mit ihm etwas gemeinsam machen zu wollen. Diese soziale Kommunikation schafft eine gemeinsame Realität, in der Lob und Strafe kontraproduktiv – weil unnatürlich – wären. Erziehung erfolgt somit nicht im Sinne von „guter Hund“ oder „böser Hund“, sondern im Sinne von „gemeinsam durchs Leben gehen“ und „füreinander da sein“.

 

Dies hatte sich Asam übrigens bereits als Sechsjähriger geschworen: Er würde immer für seine Tiere da sein. Als der kleine Asam damals in einem Schwarz-Weiss-Film die kleinen Gänseküken sah, die dem weltbekannten Verhaltensforschen Konrad Lorenz in Richtung See vergnügt und voller Vertrauen hinterher tapsten, war sich der junge Tierfreund sicher: So wie Lorenz wollte auch er mit den Tieren sprechen.

 

Ganz so einfach war es dann doch nicht. Seinen ersten Hund bezeichnet der Oberbayer scherzend als erzieherische Katastrophe. „Mit 12 Jahren war weder ich als Kind noch meine Mutter in der Lage, uns auf den Hund einzustellen.“ Während seines Pädagogikstudiums in der damaligen Hochburg für Verhaltensbiologie, Regensburg, verstand er den Grund. Dort gab es einen klaren Verhaltenscodex der Menschen den Hunden gegenüber, erinnert sich der heute 56-jährige. „Hunde wurden ernst genommen, gut geführt, niemand hätte in Regensburg einen Hund einfach angefasst oder kindisch angesprochen.“

 

Im Jahre 2005 machte Hubert Asam seine Berufung doch noch zum Beruf. Heute ist der Ethopädagoge eine Art Jesper Juul unter den Tierforschern (Anm: Der Däne Juul war insbesondere im deutschsprachigen Raum ein bekannter Familientherapeut und Erziehungsexperte, der sich von der traditionellen autoritären, aber auch antiautoritären Erziehung als unangemessen distanzierte und anstelle für Präsenz und Authentizität plädierte.)

 

Unter dem Namen „Kleiner Wolf“ unterstützt und lehrt mittlerweile ein ganzes Netzwerk von Menschen die Philosophie  Hubert Asams. Sie alle sehen einen Teil unserer Existenz und unseres Bewusstseins als identisch mit dem des Wolfes/Hundes an. In Basis- und Beziehungsseminaren, Webinars oder Einzelarbeit lehrt man dort die Philosophie der artgerechten Arbeit mit dem Hund.

 

Neben Schulprojekten engagiert sich „Kleiner Wolf“ zudem im Natur- und Landschaftsschutz und forscht an frei lebenden Tieren. Erst vor kurzem wurde sogar eine Akademie gegründet. „Dort geben wir Unterricht für Menschen, für Menschen mit Hunden und für Menschen mit Pferden. Unsere Forschungsfelder sind frei lebende Pferde, deren Zähmung, Kleinvieh und unsere Koexistenz mit Wölfen.“

 

Ebendieser Forschung widmet sich Hubert Asam seit geraumer Zeit besonders intensiv. In Italien hat er seine derzeitige Heimat gefunden, wo er mit Wildpferden, Wölfen und seinen beiden Hunden, dem zehnjährigen Reto und der einjährigen Allora im Dorf Colondello am Monte Paganuccio lebt. In der Abgeschiedenheit der Natur geht er Fragen nach wie: Wie funktionieren Naturgesetze? Was ist natürliche Kommunikation? Wie leben verschiedenen Tiere in Gemeinschaften? Wie kommunizieren Tiere mit anderen Tieren? Wie ist der Hund? Wie entwickelt ein Hund sein Bewusstsein? Besonders interessieren ihn die Gemeinsamkeiten von Mensch und Hund. Wir haben Asam nach seinen Antworten gefragt.

Hier nun das Interview…

 

Im WUFF-Interview: Hubert Asam über mitdenkende Hunde, warum Hilfsmittel schlecht sind und die beste Leine diejenige ist, die man nicht sieht.

 

WUFF: Sie haben den Begriff „Ethopädagogik“ geschaffen – was verstehen Sie darunter?

 

Asam: Ethopädagogik ist die Erziehung von Mensch und Tier nach dem sozialen Prinzip des Tieres. Hierbei werden die Ausdrucksmöglichkeiten des Tieres genutzt, um mit ihm zu kommunizieren. Der Mensch muss die Kommunikation des Tieres und seine Vorstellungswelt erlernen. Da beide soziale Wesen sind, haben sie auch in ihrem Verhalten grosse Gemeinsamkeiten. Ethopädagogik arbeitet mit diesen Gemeinsamkeiten.

 

WUFF: Wie sieht die Arbeit mit dem Hund dann aus?

 

Asam: Die hündische Seite kann man nur von der verhaltensbiologischen Seite aus betrachten. Der Mensch hingegen ist sowohl in ein kollektives als auch in ein persönliches Beziehungskonstrukt eingebunden. Kommt in dieses Beziehungsgeflecht ein Hund ins Spiel, wird es schwierig. Der kulturelle Teil der menschlichen Vorstellungen wird sofort untauglich, wodurch viele Menschen von der Natürlichkeit und Durchsetzungsfähigkeit ihrer Hunde vollkommen überfordert sind. Ein Ethopädagoge hilft dabei, den „kleinenWolf“ zu erarbeiten – das, was Mensch und Hund gemeinsam ist.

 

WUFF: Inwieweit ähnelt sich denn die soziale Sprache von Hund und Mensch?

 

Asam: Sie sind sich sogar in den weitesten Teilen ähnlich! Im Prinzip ist soziale Sprache der körpersprachliche Ausdruck einer inneren, sozialen Haltung zur Umwelt. Der Hund steht lediglich ausserhalb des kulturellen Konflikts, den der Mensch zu lösen hat – mit Kommunikation. Diese findet beim Menschen auf einer Inhalts- und einer Beziehungsebene statt. Die erste ist oft mit abstrakter Kommunikation wie Schrift und Sprache gefüllt, wogegen die des Hundes genetisch geprägt ist. Ethopädagogik zielt zu einem grossen Teil darauf, die menschlichen Worte in der Inhaltsebene mit der genetischen Nachricht des Hundes überein zu bringen.

 

WUFF: Ein Beispiel?

 

Asam: Lernen im Sinne von „Der Hund hat Sitz gelernt“ findet nicht statt. Vielmehr hat der Mensch gelernt, wie er sich stellen muss, damit es für den Hund Sinn macht, Sitz zu machen. Korrekt müsste es also heissen „Der Hund und ich können ab sofort über Sitz per Körpersprache kommunizieren.“ Soziale Kommunikation dreht sich aber nicht nur um das „Was“ (Sitz), sondern vor allem um das „Wie“ und „Warum“. Da menschliche Vorstellung nicht unbedingt auch die des Hundes ist, müssen wir uns auf seine Körpersprache konzentrieren. Sie ist der äussere Ausdruck seiner inneren, sozialen Haltung.

 

WUFF: Es kommt also vor allem auf die Körperhaltung an?

 

Asam: In der Körpersprache ist die Frage, wer bin ich, welche Rolle ich im Rudel habe und was ich will, sofort wahrnehmbar. Mit ihr wird das komplette soziale System transportiert – immer und ohne Ausnahme. Körpersprache lügt nicht. Um beim Beispiel „Sitz“ zu bleiben: Körperhaltungen, persönliche Bereiche, mentale und physische Einflussnahme sind für Hunde komplexe Nachrichten. In einer Art „Wenn-Dann“ Fragerunde versucht er herauszubekommen, was wir mit einem Wort wie „Sitz“ meinen, und vor allem unter welchen Umständen es sich wieder verändert. Wir Menschen sehen nur den Vorgang selbst. Dabei ist es eine Frage des Vertrauens und des Wohlfühlens, ob sich Hunde oder auch der Mensch setzen. Im Gegensatz zum Menschen hat der Hund aber keinen kulturellen Rahmen, er muss sich die Situation über Vertrauen erschliessen. Wir müssen unserem Hund eine Insel sozialer Sicherheit bieten. Sich bei uns zu setzen, ist immer in Ordnung. Der Rahmen ist geschützt, nichts kann das ändern. Die Reihenfolge sollte stets folgende sein: Zuerst die Beziehung, dann die Kommunikation und danach wird die Beteiligung des Hundes an der Verantwortung und Entscheidung geklärt.

 

WUFF: Sehen Sie deshalb Hund und Mensch als Seelenverbindung?

 

Asam: Ja, unbedingt. Wir sind eins. Wir sind uns vollkommen einig darin, miteinander leben zu wollen. Niemand kennt mich so wie mein Hund, niemand meinen Hund so wie ich. Unsere Seele ist der Natur nicht entrissen, es ist die Kultur, die uns die Sicht versperrt. Ich kann aber lernen, der Natur zu vertrauen und meinem Tier zu vertrauen. Dort liegt die gemeinsame Kraft.

 

WUFF: Dann können wir auch von unseren Hunden lernen?

 

Asam: Selbstverständlich. Ihr Blick auf Natur ist unverbaubar. Ich kann vom Hund lernen, wie vielschichtig Natur ist. Dazu muss ich nur beobachten. Ich kann vom Hund lernen, welche Gefühle uns gemein sind und welche nicht. Ich kann viel über Beziehungen lernen: Wie behandeln wir Fremde, wie Kinder, Erwachsene, Frauen, Männer, wie werden Mütter beschützt. Der Hund zeigt uns das, was wir mittlerweile vermenschlicht und kultiviert haben. Hunde sind Familienweltmeister, ihre Erziehungsmethode ist genial und Gemeinschaft ist das Lebenskonstrukt für absolut alles. Es ist das Zentrum, der Dreh- und Angelpunkt des Lebens.

 

WUFF: Stichwort Gemeinschaft…

 

Asam: Schliessen Sie die Augen und stellen Sie sich vor, ein Wolf zu sein. Sie sind nicht allein, mit Ihnen sind noch sieben andere Wölfe Ihrer Familie. Sie rennen los, alle zusammen, der Wald rauscht an Ihnen vorbei, vorne sehen Sie plötzlich einen Hirsch, Ihre Schwester schneidet ihm gerade den Weg ab. Sie rennen mit Ihrem Vater nach links Richtung Hirsch, sehen, dass ein weiterer Wolf neben Ihnen ist. Wie fühlt sich das an? Es muss grossartig sein, Teil einer solchen Gemeinschaft zu sein, in der alles geteilt wird! Jagd ist nur möglich, weil das Familienleben penibel organisiert ist und es immer Verantwortliche gibt, die kompetente Entscheidungen treffen. Hunde teilen das Lager, teilen ihre Kontakte, teilen jede Beute und die Verantwortung, Ihr Wesen ist das Teilen. Triebe werden voll in diesen Prozess integriert.

 

WUFF: Wie schaffen wir eine solche Gemeinschaft?

 

Asam: Mit einer artgerechten Erziehung. Ob Erziehung artgerecht ist, hängt aber davon ab, wo die Grenzen gesteckt werden. Stecke ich sie nach meiner Lust und Laune, ist sie es nicht. Stecke ich sie danach, ob es dem Nachbarn gefällt, ist es Eitelkeit, die mich verführt, die Beziehung zu meinem Hund zu opfern. Er ist dann nicht der Hund, sondern die Verlängerung meines Egos. Setze ich die Grenzen aber beim Hund und dessen Verhaltenscodex, ist Erziehung artgerecht. Ein echter Hundeanführer steckt deshalb seine Grenzen da, wo der Hund sie hat. Im Halbsatz Ihrer Frage „ihn Hund sein lassen“ steckt somit die Wahrheit. Den Hund Hund sein zu lassen heisst, nie aufzuhören zu kommunizieren. Denn das würde bedeuten, den Hund mit seiner Entwicklung allein zu lassen und zu überfordern. Innerhalb seiner individuellen Umwelt lernt der Hund Kompetenzen. Entspricht die Umwelt seiner Natur, wird er ein glücklicher Hund sein und zu einer Persönlichkeit reifen. Das ist mein oberstes Ziel.

 

WUFF: Gehorsam wird dann überflüssig?

 

Assam: Gehorsam ist etwas für das Militär. Mein Hund braucht Vertrauen. Der Hund tut immer das, was er den Umständen entsprechend für notwendig erachtet, teils bewusst, und teils intuitiv. Bricht er bewusst eine bekannte Regel, möchte er mir etwas kommunizieren. Dann frage ich mich, was der Hund mir mitteilt und mache mich dann daran, den Fehler auszumerzen. In den seltensten Fällen lag der Fehler beim Hund. Wenn meine Einjährige gerade in einer 150 PS Phase ist, werde ich sie also auf kommode 60 PS drosseln und erst dann an die Arbeit gehen, anstatt sie in die Arbeit zu lassen, sie dort zu überfordern und ihr Verhalten als Ungehorsam zu werten. Ein braver und gehorsamer Hund wäre ein Hund, der mir meine und seine Denkfehler nicht mitteilt und immer sofort tut, was ich sage. Mir sind meine mitdenkenden Hunde lieber.

 

WUFF: Wie korrigieren Sie solche Fehler?

 

Assam: Ein winziger Kommunikationsfehler kann in der einen Alltagssituation nichts Grossartiges anrichten, in der nächsten Situation jedoch dem Hund das Leben kosten. Deshalb bleibe ich sehr konsequent bei meinen Vorgaben und in meiner Haltung, im Wohnzimmer und in der Arbeit, aber nicht um den Hund zu beherrschen, sondern um ihm den Rahmen zu geben, in dem es uns gut geht. Wenn er mich aus seiner Sicht gut kennt, geht er mit mir überall hin, egal ob es brenzlig ist oder nicht. Gleichzeitig lache ich aber innerlich sehr oft mit meinen Hunden, wenn sie „Blödsinn“ machen. Ich muss mich nicht persönlich angegriffen fühlen, wenn ein Hund eben mal schaut, was passiert, wenn. Wir sind uns viel zu ähnlich, um mich da nicht selbst wiederfinden zu können. Es gehört zu einem gesunden Leben dazu, dass man mal die Regeln bricht. Wenn meine Hunde aber mal nicht „funktionieren“, dann nur, weil ich im Wohnzimmer zu schlampig war. Ein Beispiel: Wenn ein Hund vom Gelände geht, ohne zu fragen, kann ich ihm Grenzübertritt erklären, also Auto oder Zimmer rein raus, Decke rauf runter. Das ist einfacher und stresst nicht, zudem kann auch nichts passieren. Der Hund bekommt Klarheit und mit dieser Klarheit lasse ich ihn wieder entscheiden, sobald er alt genug ist.

 

WUFF: Ohne Hundebox, Schleppleine oder Halti?

 

Assam: Genau, denn das sind Gefängnisse, sie zerstören die Beziehung, verdrehen die Kommunikation, manipulieren. Sie führen genau zum Gegenteil dessen, was der Mensch kommunizieren will. Niemals würde ein Hund den anderen festbinden oder einsperren und sich auf derartig rohe und kalte Art seiner Verantwortung und Beziehung entziehen. Dem Laien wird das Instrument als logische Lösung verkauft. Damit jedoch ist der Brunnen vergiftet, aus dem die Beziehung Mensch-Hund ihr Lebenselixier holt. Integration, artgerechte Kommunikation und Erziehung machen solche Mittel überflüssig. Ein Hund, der mir vertraut, kommt immer zu mir und er kommt auch, wenn ich ihn nicht rufe. Das erste, das meine Welpen hören, ist „bei mir bleiben“. Wir gehen los, wir bleiben stehen, wir gehen los, wir bleiben stehen. Das ist ein Kinderspiel, denn der Welpe läuft gerne mit und möchte nur wissen, wer Rhythmus und Richtung bestimmt. Erkläre ich dem Welpen nicht, dass er mitlaufen soll, wird er aus Unwissenheit eigene Wege gehen.

 

WUFF: Ist der Trend zu Mehrhundehaltung dann nicht hinderlich?

 

Assam: Mehrere Hunde zu haben ist sehr anspruchsvoll. Eine Mehrhundehaltung heisst einer komplexen Kommunikation und einer noch komplexeren Rollenverteilung gegenüberzustehen. Die Hund-Hund-Kommunikation geht kompromisslos über die genetischen Vorstellungen. Die Hunde kommunizieren miteinander, führen die Beziehung miteinander, ordnen ihre Familie miteinander. Sie haben ein sehr grosses Bedürfnis nach geordneten Familienverhältnissen. Das Erarbeiten dieser Struktur ist eine Sache, sie als voll verantwortlicher Leader stabil zu halten eine andere. Es ist eine Kunst, in der Denkwelt mehrerer Hunde im Zentrum zu stehen. Schafft man es nicht, werden die Hunde unsicher und überfordert sein. Es entstehen Rollenkonflikte. Das alles ist für die Tiere Stress. Der Mensch hat zunehmend weniger Möglichkeiten einzuwirken und mehrere Hunde, die in unserer Menschenwelt ungeregelt ihren Instinkten nachgehen, stellen dann schlichtweg eine Gefahr dar.

 

WUFF: Zu Ihren Seminaren: Was lernen die vierbeinigen Teilnehmer?

 

Assam: Sie lernen nicht, eher müssen sie sich umstellen. Die Hunde haben bislang meist kleine Erziehungsanwandlungen miterlebt und wissen: „Das hält nicht lange an“. Es ist ein enormer Schritt, dass sie plötzlich im eigenen natürlichen Verhaltenscodex angesprochen werden. Die Menschen bleiben nun dran und zeigen sich verantwortlich, weil sie das Beziehungsprinzip erlernt haben und nicht „die schnelle Lösung nach Rezept XY“. Ein Hund, der ein knackiges Handlungsmuster mitbringt, fällt erst einmal aus allen Wolken, da die Umstellung gross ist. Für ihn war die Welt zwar nicht schön, aber eben seine Wirklichkeit. Dieser Hund muss erst lernen, seinem Menschen zu vertrauen und dass Kommunikation jetzt „echt“ ist. Hund und Mensch zu „synchronisieren“ ist eine sehr schöne und erfüllende Arbeit für alle Beteiligten.

 

WUFF: Wie steht es mit dem Lernerfolg der zweibeinigen Teilnehmer?

 

Assam: Erstaunlich gut angesichts der vielen Herausforderungen, die auf sie zukommen. Dass ein Mensch einen Hund erstmal vermenschlicht, ist vollkommen normal. Ein Hund verhundelt uns ja schliesslich auch. Meine Aufgabe im Unterricht ist es, den Menschen zu lehren, die Lebensumstände so zu verändern, dass der Hund eine Möglichkeit hat, sich einig zu zeigen und Freude daran zu haben. Für viele ist es überraschend, von der Verantwortung zu erfahren, die sie übernommen haben. Viele Klienten entwickeln dann eine unbändige Freude an der Entwicklung ihres Tieres und es macht ihnen Freude direkt und ohne Umwege zu kommunizieren und ein artgerechtes Leben zu führen. Gerade für junge Menschen ist es oft ein Startschuss in eine neue Phase der Persönlichkeitsentwicklung. Unsere Klienten profitieren auf vielen Ebenen: Ihre Sicht auf die Natur ändert sich – egal ob Balou jetzt perfekt sitzt oder nicht. Zwischen Mensch und Hund entsteht ein unsichtbares Band, das ein Leben lang halten wird. Die Leine, die man nicht sieht! „Kleiner Wolf“ macht Unsichtbares sichtbar.